
"Alles gehört euch!"
Homilie zum Siebten Sonntag im Jahreskreis A -
Wenn wir fragen, was bedeuten die biblischen Lesungen dieses Sonntags für uns eigentlich, diese fremden Sätze
- „Seid heilig, denn auch ich euer Gott, bin heilig“
- „Seid vollkommen wie es euer himmlischer Vater ist“
- und: „Liebt eure Feinde“ –,
wenn wir also fragen, was wir damit anfangen sollen, dann hilft uns der Apostel Paulus mit seinem Brief an die Gemeinde in Korinth, und er hilft uns mit einem Wort, das so weittragend ist, so groß wie ein Blankoscheck für die ganze Welt.
Paulus schrieb den Christen in Korinth – und er schreibt es gleich zweimal:
„Alles gehört euch; Paulus, Apóllos, Kephas, Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft: Alles gehört euch. Ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott.“
Dieses Wort „alles gehört euch“ ist der Angelpunkt, von dem aus wir alle drei Texte des heutigen Sonntags verstehen können. Es ist ein unglaubliches Wort, das Paulus da seinen Leuten schreibt. Den Glaubenden gehört alles: Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft. Es ist exakter Ausdruck des biblischen Denkens, der jüdischen Weltsicht: Alles ist uns Menschen anvertraut.
Es ist ja auch im Persönlichen so: Für die Dinge, die mir gehören, bin ich verantwortlich. Ich hafte dafür. Das Auto, das Haus, das Bankkonto, der Dackel, die Werkstatt, mein Laptop. Die Dinge gehören mir und so gehört mir auch die Verantwortung dafür. Selbst mein eigenes Leben gehört mir in einem gewissen Sinn und gerade für mein Leben bin ich verantwortlich.
Diese Sicht auf die Welt und unser Leben hatte Paulus als jüdischer Rabbi. Er hatte sie aus der Tradition des Alten Testamentes.
Dass der Mensch verantwortlich ist für sein Leben und für sein Tun, ist eine Einsicht, die wir dem jüdischen Volk verdanken. Sie ist nicht selbstverständlich und viele Kulturen, Zivilisationen und Religionen kennen diese Verantwortung nicht. Und heute, wo sich viele Menschen wieder vom christlichen Glauben und seinem Menschenbild lösen und distanzieren, kehren auch die alten Erklärungen wieder, die nichts von der persönlichen Verantwortung wissen wollen.
Da ist mein Leben dadurch bestimmt, unter welchem Sternzeichen ich geboren bin. Ob man dies oder jenes tut, macht man von den Mondphasen abhängig. Ob ich aggressiv bin oder friedlich, kreide ich meinen Eltern an. Meine Freundlichkeit oder meine Kratzbürstigkeit schiebe ich auf die Umgebung, auf meine Erziehung. Unglücke, Verbrechen oder Unfälle schiebe ich dem lieben Gott in die Schuhe.
Sicher prägen mich Herkunft, Gene, Erziehung. Aber Paulus wusste mehr: „Alles gehört euch.“ Als Gemeinschaft braucht ihr vor nichts Angst haben. Nichts in der Welt ist einfach Schicksal. Alles kann dazu helfen, dass wir Gott und seinem Anliegen, seinem Reich, seiner Welt dienen. Meine Prägung und meine Macken müssen kein Hindernis sein, Gott zu dienen. „Alles gehört euch.“
Das ist auch die Erklärung für diese beiden Worte aus der Lesung und dem Evangelium: „Seid heilig, denn auch ich euer Gott, bin heilig“, und: „Seid vollkommen wie es euer himmlischer Vater ist“. Vollkommen meint hier nicht: moralisch perfekt. Und heilig meint nicht: frömmlerisch, brav.
Heilig und vollkommen meinen hier einfach: ganz. Seid ganz, seid ungeteilt, seid ganz vor Gott. Wenn Paulus recht hat – „Alles gehört euch“ – dann gehört alles in mein Leben als Christ hinein, dann darf und brauche ich nichts draußen lassen: Unsere Beziehungen, meine Gesundheit und Krankheit, unser Geld und unser Besitz, mein Geschlecht und meine Eigenschaften, die Erziehung meiner Kinder… es gibt nichts, wo man sagen könnte: das hat aber mit dem Glauben an Gott nichts zu tun. Es gibt nichts, wo man einschränken könnte: das mache ich jetzt mal so wie andere Leute, die nicht Christen sind, das tangiert meinen Glauben nicht. Es gibt keine Nischen, keine Bruchstücke in unserem Leben, die nicht von unserem Christsein geprägt sein können. Das in Kürze das, was Paulus sagt: „Alles gehört euch. Ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott.“
Das ist auch der Grund, warum Jesus von den Jüngern fordern kann: Liebe deinen Nächsten. Liebt eure Feinde. Betet für die, die euch verfolgen.
Feindesliebe besteht nicht darin, dass man Verbrecher oder Gewaltherrscher sympathisch findet, ihnen Kusshände zuwirft oder sie für harmlos hält.
Wir „lieben“ die Feinde der Menschheit, die Tyrannen und Banditen wirklich nur dann, wenn wir selber anders leben, wenn wir eine Alternative zeigen, wenn wir selber, die ja oft daheim oder in der Arbeit auch kleine Herrscher daheim sind, die feine oder weniger feine Gewalt anwenden oder Druck ausüben, wenn wir uns in der Gemeinschaft der Glaubenden helfen lassen, uns gegenseitig „zurechtweisen“, wie es die erste Lesung aus dem Buch Levitikus sagt.
Dann kann es in der Welt eine Alternative zu Gewalt und Kriegen geben, eine friedliche Gemeinschaft, die zeigt, dass ein anderer Weg möglich ist. Das kann kein Staat machen, das können nur Menschen freiwillig, miteinander wagen. Das ist ja unsere Aufgabe, das ist der Auftrag der Kirche.
Alles hat darin Platz. Dazu lässt Gott seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen und lässt es regnen über Ungerechte und Gerechte. Wer weiß, wo wir gerade dazugehören? Aber eines ist sicher: „Alles gehört euch“. Alles ist in unserer Verantwortung. Das ist doch ein wirklich großartiges Wort.
Siebter Sonntag i. Jkr. A | 18./19. Februar 2023
Lesungen: Lev 19,1-2.17-18; 1 Kor 3,16-23; Evangelium: Mt 5,38-48.
Boll, St, Nikolaus | Hechingen, St. Jakobus
Achim Buckenmaier
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