
Öffentlichkeit und Verborgenheit Gottes
Fest der Taufe des Herrn (Lesejahr C) - Homilie:
In diesen Wochen tobt in unserer Gesellschaft, ja weltweit ein Kampf um die Meinungsführerschaft im öffentlichen Raum. Was wir erleben mit den sogenannten Social Media ist ein einzigartiges Experiment an der Menschheit: Was ist Meinungsfreiheit? Was muss privat bleiben? Was kann öffentlich werden? Was passiert, wenn sich die Meinung einzelner in Sekundenschnelle, in Echtzeit, millionenfach verbreitet und durchsetzt? Was passiert, wenn Lügen und Drohungen einfach als Wahrheiten und Fakten in die Welt gesetzt und leichtfertig geglaubt werden?
Die Antworten auf diese Fragen sind nicht leicht zu finden und sie sind nicht eindeutig. Wir wissen nicht, wie sich diese Prozesse auf Dauer auswirken und wie sie uns selbst, vor allem unsere Kinder und Jugendlichen prägen werden. Der Glaube hat auch keine einfache und endgültige Antwort darauf. Aber der Glaube, unser Glaube als Christen, stellt alles, was wir erleben, in ein anderes Licht.
Diese Woche haben wir das Fest Dreikönig gefeiert, Epiphanie, Erscheinung des Herrn, und heute an diesem Sonntag schließt die Kirche die Weihnachtszeit ab, mit dem Fest der Taufe des Herrn, der Taufe Jesu.
Bei diesen beiden Festen und den Ereignissen, die sie erzählen, geht es auch um die Öffentlichkeit: wie wird publik, wie wird öffentlich, dass Gott in der Welt handelt, dass Gott nicht eine abstrakte Hypothese einiger ängstlicher und schwächlicher Menschen ist? Wie wird publik, dass Gott nicht ein harmloser Großvater ist, der auf einer Wolke im Himmel sitzt?
An Dreikönig ist es ein leuchtender, heller Stern, der die Weisen aus dem Morgenland führt. Bei der Taufe Jesu im Jordan ist es eine Stimme aus dem Himmel, die das Geschehen deutet und erklärt und vernehmbar ist.
Muss man nicht denken angesichts dieser außergewöhnlichen Erscheinungen und Phänomene, dass Jesus auch eine Millionenschar von Followern gefunden hat? Wenn uns das geschehen würde, wenn über Steinhofen/Schlatt ein solcher leuchtender Stern aufgehen würde und alle Straßenlampen und Flutlichter verblassen ließ, wenn wir eine Stimme hören würden vom Himmel, für die man kein Mikrofon, keinen Lautsprecher und kein Hörgerät braucht? Würden wir da nicht in Scharen herlaufen und staunen?
Die Bibel ist relativ nüchtern bei diesen Dingen. Was nach dem Besuch der drei Magier in Bethlehem erzählt wird, ist, dass Josef und Maria das Kind nehmen und in ein fremdes Land fliehen müssen, nach Ägypten, um dem Gewaltherrscher Herodes zu entgehen. Und nach der Taufe hat Jesus zwölf Jünger gefunden, zwölf, die er einzeln sammeln musste, und dann noch ein paar Frauen und Männer, Freunde, Sympathisanten. Am Ende waren noch zwei unter seinem Kreuz
Der Weg Gottes ist anders. Er wird öffentlich, bleibt aber irgendwie auch unscheinbar, fast wie verborgen, inkognito. Seine Social Media, sein Medium funktioniert anders.
Er erreicht seine Botschaft nur von Person zu Person. Deswegen erinnern wir uns auch heute unserer eigenen Taufe und der Taufe unserer Kinder. Deswegen ist jedes einzelne Kind gerufen, sowie auch wir jeder einzelne und jede einzelne gerufen sind. Es gibt in der Kirche keine Massentaufen und auch keine Jahrgangs-Erstkommunion mehr, wo man einfach wegen seines Geburtsdatums mitläuft.
Deswegen haben wir am Anfang auch das Glaubensbekenntnis gesprochen mit dem Satz: Ja, ich glaube. Ich glaube. Ich glaube und ich stelle mich in diese Geschichte, auch wenn vielleicht viele andere einen anderen Weg gehen, auch wenn meine Kolleginnen und Freunde den Kopf schütteln: Wie kannst du da noch mitmachen? Auch wenn die Zahl der Christen wenig wird, auch wenn die Kirche unvollkommen ist und bleibt und vielleicht auch Anlass gibt für Ärgernis gibt. Ich glaube.
Ich glaube, d.h. ich bleibe diese Geschichte treu, und ich weiß, das ist das Beste ist, was ich im Leben erfahren kann, und dass ich dieses Beste meinen Kindern geben will und unserer Gesellschaft. Sie lehrt uns die Gefährdetheit des Menschen und sein Fallen, oft „Sünde“ genannt, und zeigt uns die Hilfe, den Ausweg: ein Leben in Gemeinschaft von Glaubenden, die Gebote und Weisungen Gottes, seine Lebensordnung, die vernünftig und menschenfreundlich ist, die mit Vergebung und Versöhnung dem Frieden dient, im Großen der Welt wie im Kleinen unserer Beziehungen.
Es ist eine lange Geschichte, die weit über unser persönliches Leben hinaus gleicht, in die Geschichte der Menschheit hinein. Es ist eine Geschichte, die im jüdischen Volk begonnen hat. Deswegen haben wir heute diese wunderbare Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja gehört, die sozusagen ein Antibild zu dem zeichnet, was heute als Erfolg und Macht gilt.
Von demjenigen, den Gott in seinen Dienst nimmt, wird gesagt: „Er bringt den Völkern das Recht. Er schreit nicht und lernt nicht. Das geknickte Rohr zerbricht er nicht. Und den klingenden Docht löscht er nicht aus.“ Solche Menschen sind der Weg, auf dem Gott Gerechtigkeit und Frieden in die Welt bringen kann, sein Heil, sein Glück. Und ihnen sagt Gott das, was Jesaja als Wort Gottes auch gehört hat: „Ich fasse dich an der Hand.“
Ja, das darf jeder und jede von uns heute auch hören. Ich fasse dich an der Hand. Und Gott legt unsere Hände ineinander, damit es eine Gemeinschaft gibt, in der die Geschichte Gottes lebendig ist, in der anschaubar, publik, öffentlich ist, dass Gott in der Welt gehandelt hat und heute handelt. Und dann wird aus dem Ich, das sagt: Ich glaube, das Wir, das Gott sucht und das uns trägt in jeder Zeit, auch in der jetzigen, auch heute.
Taufe des Herrn, 12. Januar 2025 | Steinhofen St. Peter und Paul (Tauferneuerung Erstkommunionkinder 2025); Schlatt St. Dionysius | Lesungen: Jes 42,5a.1-4.6-7; Tit 2,11-14;3,4-7; Evangelium: Lk 3,15-16.21-22 | Achim Buckenmaier