Vorgaben statt Vorsätze
Neujahrstag 2025 - Homilie:
Wie jedes Jahr nehmen sich viele zum Jahresbeginn gute Vorsätze, auch ich. Dabei weiß man, dass die Halbwertszeit solcher guten Intentionen relativ gering ist. Bei Frauen ist nach neuesten Befragungen die Wahrscheinlichkeit etwas größer, dass sie ihre Vorsätze auch durchhalten. Immerhin 61 % der in einer Meinungsforschung befragten Frauen gaben an, dass sie im Jahr 2024 länger als drei Monate ihre Vorsätze durchgehalten hätten. Das mag ermutigend sein oder eher etwas ernüchternd. Für uns spielt es keine allzu große Rolle.
In der Kirche fangen wir das neue Jahr eigentlich im Advent an, am ersten Advent und der 1. Januar ist dann eine weitere Zäsur, mit der ein neues, bürgerliches Jahr beginnt. Wir beginnen diese neue Zeitspanne von zwölf Monaten nicht mit Vorsätzen, sondern mit dem Gegenteil: Mit schon eingetretenen Zusagen, nämlich mit dem Segen Gottes.
Deswegen hat die Liturgie am 1. Januar, als dem Oktavtag von Weihnachten eine umgedrehte Reihenfolge als sonst. Der Segen steht nicht nur am Ende der Messe, sondern er steht schon am Anfang der Schriftlesungen. Wir haben nämlich in der ersten Lesung diesen sogenannten „aaronitischen Segen“ gehört, den Mose auf Gottes Geheiß seinem Bruder Aaron vorsagt. Es ist einer der stärksten und am meisten zitierten Sätze der hebräischen Bibel, des Alten Testaments: „Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei ihr gnädig. Der HERR wende dir sein Angesicht zu und schenke dir Frieden.“
Das neue Jahr beginnt für uns nicht damit, dass wir uns vornehmen, etwas zu tun – das kann auch gut sein –, sondern es beginnt damit, dass wir uns dessen vergewissern, dass Gott schon etwas getan hat, nämlich dass er uns durch die Taufe in sein Volk gerufen und geführt hat und dass uns damit schon der eigentliche Segen für unser Leben zuteil geworden ist und jeden Tag zuteil wird.
Segen ist nicht, dass mir alles gelingt oder dass sich all meine Wünsche erfüllen oder dass mir nichts passiert oder dass ich nicht krank werde oder dass ich niemanden verliere. Segen ist, dass Gott mir sein Angesicht zuwendet, dass wir vor seinem Angesicht leben. „Der HERR wende dir sein Angesicht zu und schenke dir seinen Frieden.“
Auch wenn wir im Jahr 2025 mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert sein werden, wie im vorigen Jahr oder sogar noch mit größeren, gilt dieses Wort: Gott wendet uns sein Angesicht zu. Das ist der Friede, der nicht von äußeren Bedingungen abhängt und der sich gerade dann bewährt, wenn alles unfriedlich ist um uns herum und in uns. Frieden heißt: Ich lebe mit Gott, ich vertraue auf ihn. Das ist der Weg, wie auch der Friede in die Welt kommt.
Das Evangelium dieses Neujahrstags, der auch Fest der Gottesmutter Maria ist, endet mit der Notiz, dass Jesus am achten Tag beschnitten wurde wie jeder jüdische Knabe bis auf den heutigen Tag. Durch seine jüdische Mutter war Jesus Jude von Geburt an. Durch die Beschneidung wurde er in den Bund Gottes mit seinem Volk aufgenommen.
Wir haben das Glück, dass wir durch die Taufe auch in das Volk Gottes, aus dem Jesus stammt, und in diese Geschichte aufgenommen sind, in ein Volk, das sich Gott aus allen Völkern erworben hat durch Jesus. Das ist unser Segen und unser Friede. Das wünsche ich Ihnen und das wünsche ich uns heute an diesem Tag.
Neujahr – Gottesmutter Maria – Beschneidung des Herrn, 1. Januar 2025 | Hausen im Killertal St. Nikolaus | Lesungen: Num 6,22-27; Gal 4,4-7; Evangelium: Lk 2,16-21 | Achim Buckenmaier