Was sollen wir tun? Eine Ausfaltung

Fünfter Ostersonntag (A) Homilie  -  Am vergangenen Sonntag stand eine Frage im Zentrum der biblischen Texte: Was sollen wir tun? Diese Frage haben die Zuhörer des Apostels Petrus an die Gemeinde in Jerusalem gerichtet, als ihnen Petrus und die Apostel das Schicksal Jesu neu aufgeschlüsselt haben. Wenn Jesus nicht ein einfacher Verbrecher, ein Gotteslästerer und ein Aufwiegler und Hetzer war, wie es seine Ankläger und seine Hinrichtung am Kreuz unmissverständlich sagten, wenn er vielmehr der Bote Gottes war, der wie kein anderer vor ihm und nach ihm Gott nahe war, dann stand eben für seine Jünger und für alle, die davon hörten, diese Frage auf: Was bedeutet das für uns? Welche Konsequenz müssen  w i r  daraus ziehen? Oder eben ganz schlicht: Was müssen wir  t u n ? 

Die Antwort, die die Gemeinde der Jünger gegeben hatte, war einfach: Kehrt um, lasst euch taufen, das heißt also: Schließt euch uns an. Schließt euch unserer Gemeinschaft an.

Die heutigen drei biblischen Texte sind nun drei völlig verschiedene Texte. Über alle diese biblischen Texte nachzudenken, ist hier gar nicht möglich. Ich möchte also heute vor allem zu einer Lesung etwas sagen, zur ersten Lesung aus der Apostelgeschichte. Diese Lesung erzählt von einem sozialen Problem in der Jerusalemer Urgemeinde, das zu Unmut und Streit in der Gemeinde führt. Es geht um die Frage, ob eine Gruppe von Witwen immer übergangen wird, vergessen wird oder nicht. 

Die Gemeinde hatte so eine Art Tafel, einen gemeinsamen Mittagstisch. Die Witwen in der Antike, auch in Israel, auch in Jerusalem waren auf diese Art der Unterstützung angewiesen. Es gab ja keine Renten und keine staatliche Fürsorge. Wahrscheinlich war es ein Sprachproblem. Die griechisch sprechenden jüdischen Frauen verstanden nicht, was in Hebräisch gesagt wurde und dann verpassten sie die Termine oder Uhrzeiten. Eine Sache, die unzählige Male in der Welt passiert.

Und da sagen die Apostel jetzt nicht: Beruhigt euch mal. Macht nicht so ein Ding da draus! Sondern sie finden eine Lösung, indem sie eine Gruppe von sieben Männern bilden, die einfach aufmerksam genug sind, die sich dem Problem im Detail widmen und so für Gerechtigkeit und für Frieden in der Gemeinde sorgen. Dieses Wissen haben die Christen aus dem Alten Testament gehabt, von den Juden, aus der Torah.

Die Idee mit den sieben Diakonen war so einfach und genial, dass sie zum Vorbild für für die Gesellschaft, eben zur Hilfe für die Welt wurde. Denn in der antiken Gesellschaft gab es natürlich auch Benachteiligungen, Ungerechtigkeiten, gab es Arme und soziale Not. Die römischen Kaiser haben darauf mit „Brot und Spielen“ geantwortet. Wenn es mal wieder soziale Unruhen gab, Inflation, Dürren und eben Not der Armen, dann wurden einfach kostenloses Brot verteilt und ein paar Gladiatorenspiele in den Arenen veranstaltet, dann waren die Leute abgelenkt. Das klappte mal mehr, mal weniger. Es war von der Laune des Kaisers abhängig. Es war keine Lösung.

In den christlichen Gemeinden, die damals vielleicht nur 7% der Bevölkerung stellten, sahen die Kaiser aber bald eine Alternative. Bei den Christen sahen sie, wie es anders gehen konnte. Einfach, dass man es regelt. Dass man Leute hat, die dafür zuständig waren. Dass man die Armen nicht als lästige, ewig unzufriedene Meckerer und als Almosenempfänger ansieht, das haben die Kaiser bei den Christen und den Juden gesehen und bald baten sie die Gemeinden und ihre Leiter, die Armenfürsorge zu übernehmen mit ihren Erfahrungen und ihrem System. Die Heiden haben gesehen, dass nicht „Brot und Spiele“, nicht Almosen die Lösung sind, sondern Solidarität und Gerechtigkeit. Das war der Anfang dessen, was wir heute ganz selbstverständlich als Sozialstaat kennen, als ein Netz von Fürsorge und Solidarität. Das ist nicht vom Himmel gefallen, sondern es ist die Auswirkung des Lebens der christlichen Gemeinden.

Von daher erschließen sich auch die Worte Jesu im Evangelium Die Gemeinden der Christen hatten verstanden, dass die vielen Wohnungen Gottes, von denen Jesus im Evangelium spricht, nicht ein paar Wolken im Jenseits des Himmels sind, in die wir nach dem Tod als glückliche Mieter einziehen, sondern das Miteinander der Christen, ihre Zuwendung zueinander, vor allem zu den Schwachen. Und auch diese Wort vom „Sehen des Vaters“. Gott kann man nicht sehen, das hat schon Jesus gewusst und gesagt. Aber: Wer ihn sieht, sieht den Vater, sieht Gott. Heute sieht man Gott nur in seinen Wirkungen, in der Verbindung der Glaubenden, die Gottes Lösung für die Nöte der Welt sichtbar machen. Man „sieht“ Ihn, durch uns, oder eben nicht.

Was wir tun sollen, wie wir leben sollen – um auf diese Frage zurückzukommen –, die Antwort darauf finden wir auch heute nur, wenn wir verstehen, dass wir mit der Taufe nicht mehr uns selbst gehören, nicht unseren privaten Interessen und Vorlieben, auch nicht einfach unserer Familie, sondern Gott und seinem Willen. Dass wir sein „besonderes Eigentum“ sind. Das ist nicht immer angenehm, es ist ein Dienst, eine Arbeit. Zugleich ist das unser Glück, unsere Würde. Petrus sagt es an diesem Sonntag auch uns hier in diesem Gottesdienst: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde.“

Fünfter Ostersonntag A, 6./7. Mai 2023  |  Weilheim St. Marien; Jungingen St. Sylvester  |  Lesungen: Apg 6,1-7; 1 Petr 2, 4-9; Evangelium: Joh 14,1-2  |  Achim Buckenmaier