LIchtmess in fünf Worten

An diesem Sonntagabend feiern wir miteinander das Fest Mariä Lichtmess – Darstellung des Herrn. Es ist ein besonders Fest. Ich möchte einmal fünf Punkte nennen, die uns heute Abend aus dem Fest und seinen biblischen Texten entgegenkommen.

Erstens: Lichtmess ist eine Art kleines Weihnachtsfest, noch ein Überbleibsel aus der Zeit, wo die Weihnachtszeit noch bis zum 2. Februar dauerte. Das Fest ist geprägt vom Evangelium, von dieser Episode, die Lukas so schildert: Die Eltern Jesu pilgern mit dem kleinen Kind zum Tempel in Jerusalem. Vierzig nach der Geburt schließt Maria sozusagen diese Zeit ab. Und das erstgeborene männliche Kind wird „ausgelöst“. Das erinnert an den Auszug Israels aus Ägypten, als alle erstgeborenen Ägypter starben. Nur die Hebräerkinder überlebten. Das war nicht ein zufälliges Privileg. Sie sollten leben, damit es Israel gibt, damit es das Gottesvolk gibt. In der Sprache der Bibel: Sie gehörten jetzt dem HERRN. Um alle jüdischen Eltern daran zu erinnern, mussten sie ihre erstgeborenen Knaben „auslösen“, also ein Opfer bringen, etwas dem Tempel geben, damit dort Gott gelobt und seine Taten gepriesen werden konnten. So machen es auch Josef und Maria.

Das bildet den Abschluss der Erzählung von der frühen Kindheit Jesu, die Lukas überliefert. Damit ist das Fest der „Darstellung des Herrn“, Lichtmess, noch eine Art Weihnachtsfest, aber eben fast unbeachtet, und damit auch unbelästigt von dem Trubel, der Aufmerksamkeit und dem Missverständnis, dass Weihnachten für viele Menschen heute umgibt. Einen stillen Glanz hat dieses Fest, indem uns der Evangelist noch einmal Maria und Josef zeigt, die – wie Jesus später auch – als gesetzestreue, torafromme Juden leben.

Das zweite Stichwort ist Trost. Lukas erzählt von einem Mann namens Simeon, der fromm war und gerecht und auf den „Trost Israels“ wartete. Er wartete auf etwas, was ihn in seiner unruhigen Zeit, in der das Volk Israel von verschiedenen Zeiten bedrängt und beherrscht wurde, trösten könnte. Der Trost war für einen frommen Israeliten das Kommen des Messias, der so wie Moses das Volk aus der Not herausführt und eine gute Zeit, Gerechtigkeit und Frieden heraufführt für alle. Simeon wartete also auf etwas Großes und etwas Großartiges. Und jetzt ist erstaunlich, dass er diesen Trost in einem kleinen Kind sieht. Dass er sieht: Der, von dem ich den Umschwung und die Befreiung erwarte, der ist dieses Kind.

Lukas hat das nicht erzählt, um ein wenig Rührseligkeit unter uns zu verbreiten, weil es immer berührend ist, wenn alte Menschen und ein Neugeborenes zusammenkommen. Er hatte es erzählt, um seine Leser zu trösten. Auch sie waren bedrängt. Die ersten Christen lebten inmitten eines riesigen Römischen Reiches, 70 Millionen Einwohner, so nimmt man an, zählte damals das Imperium Romanum. Um die Christen waren verschwindend wenige, in kleinen Gemeinschaften lebend. Und ihnen sagt Lukas: Schaut her, schon dieser alte Mann Simeon erkannte das Prinzip Gottes, dass Gott durch das Kleine etwas Großes wirken kann.

Das scheint eine Geschichte zu sein, die wie gemacht ist für uns. Die Zeit, in der die Kirche die Gesellschaft dominiert hat, das Leben im Dorf bestimmt hat, groß war, diese Zeiten sind vorbei. Wir sind überall eine verschwindende Minderheit und der Prozess des Kleinerwerdens ist noch nicht beendet. Und da sagt dieses Evangelium: Ihr seid wenige, aber auf euch liegt ein Auftrag, eine Berufung, eine Aufgabe, die Aufgabe, ein Trost für die Gesellschaft zu sein. Trost ist nicht Vertröstung, sondern Hoffnung. Das ist unser Auftrag, unser Leben als Christen, als Kirche, als Hoffnung in die Welt zu tragen, dass ein Miteinander, Versöhnung und Frieden möglich sind.

Das dritte: Es wird von einer Begegnung erzählt. In der Geschichte kommen diese jungen Eltern vor Maria und Josef, das kleine Kind, ein Mann, dessen Alter wir nicht kennen, aber der irgendwie schon das Ende seines Lebens im Blick hat, und eine Prophetin, eine Witwe von der Lukas weiß, dass sie damals 84 Jahre alt war. Das ist doch bemerkenswert, dass man auch mit 84 Jahren nicht unbedingt ein nur der Archivar seiner eigenen Lebensgeschichte sein muss, sondern dass man auch Prophet sein kann, eine Prophetin. 

Lichtmess wird in der Tradition der Ostkirche auch Fest der Begegnung genannt. Jesus begegnet im Tempel dem Vater im Himmel, aber es ist auch eine Begegnung der Generationen. Das Neugeborene, seine Eltern, zwei alte Menschen…

Auch das ist mehr als eine einmalige Situation zur Zeit Jesu. Auch da liegt etwas an Hinweis für uns. Die Kirche bleibt nicht dadurch lebendig, dass sie für jede Altersgruppe eine eigene Sache und einen eigenen Gottesdienst anbietet, so sinnvoll das im Einzelnen auch sein kann. Sicher muss jedes Alter und jede Generation eigene Formen der Kommunikation und des Betens finden, eine eigene Sprache. Aber wir treten immer auch in etwas schon Vorgegebenes ein, das die Generationen vor uns darstellen. Das Wesen der Kirche besteht deswegen darin, dass die vielen verschiedenen beieinander sind, dass wir die Erfahrungen nicht verlieren und die Kette der Weitergabe von Wissen in der Kirche nicht abreißt. Kirche bedeutet auch, dass die verschiedenen Generationen einander helfen, die einen mit ihren Plänen und Ideen und die anderen mit ihrer Erfahrung, die einen mit ihrem Drängen, die anderen mit Bedacht. Das Eigentliche, wo die Kirche Kirche ist, ist das Fest, der Gottesdienst, in dem die verschiedenen Menschen zusammenkommen.

Das vierte Stichwort dieses Tages ist Licht. Der Tag heute heißt ja Lichtmess. Es ist der Gottesdienst, in dem wir auch die Kerzen gesegnet haben. Das sagt: Der Glaube ist ein Licht, lumen fidei, „Licht des Glaubens“. Die Neurowissenschaften wissen heute, dass helles Licht den Menschen nicht nur körperlich aufweckt, sondern auch geistig motiviert. Dämmerung und Dunkelheit machen müde. Besonders das Licht am Morgen motiviert den Menschen, etwas anzugehen. Das sind nicht subjektive Einbildungen, sondern neuronale Prozesse in unserem Körper. Der Glaube hat das verstanden und aufgegriffen. Die Poesie sagt: Christus ist der Morgenstern. Das ist ein beliebtes Motiv der Frömmigkeit und in den Liedern. Er weckt uns auf und motiviert uns, zu leben und unseren Auftrag anzunehmen als Christen.

Wenn wir heute die geweihten Kerzen mitnehmen und zu Hause entzünden, dann darf uns das bewusst werden: Wir leben in einem Denken, dass hell ist. Der biblische Glaube ist nichts Obskures, nicht ein dumpfes Gefühl, keine nur dunkle Ahnung. Er ist nicht geheimnisvoll, er lullt unser Denken nicht ein, der Glaube ist hell, licht, transparent, vernünftig. Glaube ist Aufklärung, Aufklärung über die Welt, wie sie ist, und über uns selbst. Ich brauche keine Horoskope, keine Glaskugeln, keine Bäume umarmen, keine Schamanen, um Gott kennenzulernen und einen guten Weg für mein Leben zu finden. 

Und das letzte, das fünfte Stichwort ist der Segen. Simeon segnet Maria, Josef und das Kind. Darum passt auch der Segen dazu, den die Kirche vom morgigen Tag des heiligen Blasius her vorsieht, der Blasius-Segen. Das ist etwas Bemerkenswertes. Dass wir uns im Gottesdienst berühren, sozusagen ganz nahekommen und uns einander nicht nur Seelenheil wünschen und ewiges Leben, sondern auch eine gute Gesundheit und Schutz unseres Lebens, dass wir unser Leben nicht verlieren, sondern es zum Lob Gottes beitragen kann. Der Segen ist nichts Magisches. Er ist ein Wunsch, eine Zusage, die in uns wirkt: „…bewahre dich vor allem Schaden an Leib und Seele“. 

Der Segen ist nicht kollektiv gefasst, wie sonst am Ende einer Feier oder eines Gottesdienstes. Er ist persönlich. Und auch er hat einen Hinweis, eine Frage: Gibt es nicht nur das Kollektiv der Kirche, sondern auch dieses Persönliche, die Zuwendung zueinander auch nach dem Gottesdienst? Lassen wir uns an uns herankommen? Oder halten wir uns auf Abstand, bleibt doch jeder lieber auf seinem Sofa sitzen hinter dem Laptop oder dem Fernseher? Der Segen ist eine Zusage und zugleich eine Anfrage.

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Mit fünf Worten haben wir heute auf dieses kleine weihnachtliche Fest geschaut. Die Kirche streut immer wieder solche Gelegenheiten in unseren Kalender, in denen wir unser Leben im hellen Licht des Glaubens verstehen und es so unter den Schutz Gottes stellen können. Das tun wir jetzt in dieser Eucharistie.

Mariä Lichtmess, 2. Februar 2025  |  Jungingen St. Silvester  |  Lesungen: Mal 3,1-4; Hebr 2,11-12.13c-18; Evangelium: Lk 2,22-40  |  Achim Buckenmaier