Ein Dunkel, das erhellt

2. Fastensonntag 2025 (Lesejahr C) - Homilie: 

Die Liturgie dieses Sonntages präsentiert uns ziemlich anspruchsvolle Texte, beziehungsweise eine anspruchsvolle Auswahl verschiedener Lesungen.  Das Evangelium bietet die sogenannte Verklärung Jesu auf dem Berg. Und die erste Lesung aus dem Alten Testament erzählt eine ganz archaische und dunkle Geschichte um das, was Abraham erlebte, als Gott mit ihm einen Bund schloss. In beiden Geschichten kommen Furcht, Angst und Dunkel vor. Angst und großes Dunkel fallen auf Abraham, erzählt das Buch Genesis, und Lukas sagt, dass sich die drei Jünger fürchten, als sie zusammen mit Jesus in eine Wolke hineingeraten auf dem Berg.

Warum werden solche Geschichten gelesen? Was haben Sie heute zu sagen, wenn sie überhaupt etwas zu sagen haben? Warum mutet uns die Kirche solche uralten Texte zu, mit ihren zum Teil archaischen und fremden Bildern?

Gerade, wenn man vielleicht etwas jünger ist, mag man solche Fragen stellen. Wären nicht schöne Texte besser, Hoffnungstexte, „Mut-mach-Texte“ und alles, was es heute so gibt? Die Antwort auf diese Fragen ist nicht so schwer.

Die Texte der Bibel nehmen uns in eine lange Geschichte mit. Sie zeigen uns, dass das, was wir tun und wollen, schon viele vor uns versucht haben und dass es ihnen misslungen und gelungen ist, immer wieder neu: nämlich ein Leben als glaubende Menschen zu führen, oder einfach gesagt: Recht zu leben in der Welt.

Unser normales Gedächtnis ist ja ganz kurz. Persönlich reicht es gerade mal bis zu unseren Großeltern – wenn überhaupt. Gesellschaftlich reicht es vielleicht von einer Wahlperiode zur anderen, von einem Trump zum anderen. Und täglich werden wir mit sogenanntem „Aktuellem“ und „Brennpunkten“ gefüttert, und über die sozialen Medien ploppen im Minutentakt Infos, Meinungen und messages auf. 

Der Gottesdienst spannt nun einen viel größeren Horizont auf. Er nimmt uns mit unseren Leben, die wir 20 oder 60 oder 80 Jahre alt sind, in eine 4000jährige Geschichte hinein. Wir können uns sozusagen andocken an diese Erfahrungen. Wir haben das Passwort für einen Speicherplatz, der unendlich größer ist als nur eine Ansammlung von Infos und Daten. Das ist unser Vorsprung. Der heutige Sonntag bietet einige solcher Modellpersonen auf, die es in dieser Geschichte gab.

Abraham – in der ersten Lesung –, der mit seiner Frau Sara als erster die Welt der Religionen verlassen hat und etwas ganz Neues gewagt hat, 1000 km mit seinen Herden, mit seinem ganzen Unternehmen von zuhause weggezogen ist, nur um den wahren Gott zu suchen.

Mose – der im Evangelium sich mit Jesus unterhält –, der im Königspalast der Pharaonentochter aufwächst, mit allem Luxus und aller Bildung der Zeit, dann aber seine Landsleute anführt, aus Ägypten zu fliehen, um der Zwangsarbeit zu entgehen und auch da, um dem wahren Gott zu dienen, nicht einem Pharao, einem Menschen. Mose, eine Person, die alles gewagt hat und vieles ertragen musste, damit seine Leute in die Freiheit kommen.

Elija, der sich um den Glauben bemühte, damit er nicht verwässert wird mit den Religionen der Welt und ihren Göttern. Eine Zeit lang war er ganz allein, wurde depressiv, zweifelte und Gott in seinem Auftrag.

Sie reden, so sagt es das Evangelium, mit Jesus über sein Ende: „Es waren Mose und Elíja; sie erschienen in Herrlichkeit und sprachen von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte.“ Das heißt: Auch Jesus brauchte eine Hilfe, die Geschichte Gottes und darin sein eigenes Geschick zu verstehen. Diese beiden Gestalten, Mose und Elija, stehen für dramatische Zeiten der Entscheidung, der Unterscheidung zwischen Gefangenschaft und Freiheit, zwischen Glauben und Religion, das heißt Aberglaube. Sie konnten Jesus aus ihrer Geschichte aufschlüsseln, warum er so sterben wird. Sie konnten aus ihrem Leben das viele Unverständliche, das sich auch auf Jesus legte, entwirren.

Solche Leute werden uns heute vorgestellt, kommen sozusagen durch die Texte heute auf uns zu. 

Und ihre Leben sagen: an Gott glauben, an den Gott Israels, den Gott Jesu glauben, ist eben kein Spaziergang. Glauben, ist eine Herausforderung ist ein Abenteuer. Letztlich ist glauben das Abenteuer schlechthin. In diesem Abenteuer lernt man die Welt kennen, wie sie ist, nicht so, wie man sie sich träumt und gerne basteln würde.

In diesem Abenteuer lernt man andere Menschen kennen, auch so, wie sie sind und wie sie in allen Generationen gewesen sind, nicht besser und nicht schlechter als wir, mit Macken und Zacken.

Und man lernt sich selbst besser kennen. Jesus war ein unbestechlicher Beobachter der Menschen. Den Splitter im Auge des anderen sehen, aber den Balken im eigenen Auge nicht sehen, das war schon gut beobachtet.

Und schließlich finden wir in diesem biblischen Texten vom Sonntag die Erfahrung, dass Gott auch durch das Dunkel sprechen kann. Zum Glauben gehört immer auch die Erfahrung der Fremdheit. Das ist der Grund, warum wir auch im 21. Jahrhundert solche altertümlichen Texte vorlesen und hören wie die erste Lesung, mit diesen Bildern eines Opfers mit Tieren, mit einer fast gespenstischen Szene, wo Raubvögel vorkommen und Feuer und Rauch, wo zweimal gesagt wird, dass sie Sonne untergeht und Abraham in einen tiefen Schlaf verfällt, wie bewusstlos wird und er noch in Betäubung Angst überfällt und Dunkelheit.

Alle biblischen Texte stimmen in der Gewissheit überein, dass Gott in der Geschichte zu seinem Volk geredet hat und dass er gehört wurde, immer wieder. Und dass er nicht nur an leichten und schönen Tagen zu uns redet, sondern auch in einer Wolke, in Feuer und Rauch, die Angst machen oder wenn Unverständliches geschieht.

Dass die Dinge heute durcheinander und oft verworren sind, ist offensichtlich. Es reichen 15 Minuten Nachrichten, um das ganze Elend der Welt im Wohnzimmer zu haben. Einmal über das Smartphone wischen und schon kann man Furcht und Angst bekommen.

Die Kirche verändert sich, und sie wird sich noch mehr verändern, und manche fragen, was wird denn aus uns, unseren kleinen Pfarrgemeinde, unseren Dörfern, unseren Kirchen? Furcht, Angst…

Man erfährt immer mehr, dass wir wenig sind und noch weniger werden, dass die Welt auch im Kleinen unserer Orte eigentlich einen anderen Gang geht, dass Gott eine Nebensache geworden ist, wenn er überhaupt noch vorkommt…

Von der Welt im Großen, wie sie heute ist, braucht man gar nicht sprechen

Was bedeutet das alles? Was könnte Gott uns durch diese Dinge sagen?

Genau das zu finden, ist ein Abenteuer. Dazu muss man sich zusammenschließen, mit anderen zusammenkommen, um sich austauschen zu können. Dazu helfen uns die Texte der Heiligen Schrift, weil wir ihnen vieles wiedererkennen, was wir erfahren und was andere vor uns schon erfahren oder auch erlitten haben.  „Auf ihn“, auf Jesus, „sollt ihr hören!“ sagt heute im Evangelium die Stimme aus dem Himmel.

Wo sollten wir besser auf ihn hören können als hier im Gottesdienst, in dem wir unsere Endloswichtiggeräte auf stumm schalten, um in die Geschichte Gottes hineinzuhören, in dem wir aufeinandertreffen und – hoffentlich – nicht nur in dieser Stunde uns miteinander verbinden. Wenn wir uns zusammentun, und die vielen Möglichkeiten, die wir haben, nützen, miteinander zu überlegen, miteinander aus dem Glauben zu sprechen und zu reflektieren, dann kann Gott ganz leise reden, im Dunkeln, in der Angst, in der Wolke unseres Nichtwissens und Nichtverstehens.

Um es noch kurz konkret zu machen: Nach einem dieser Abende, die es zur Zeit in St. Luzen gibt, um auch „hinzuhören“, um unseren Glauben, das Glaubensbekenntnis zu verstehen, sagte eine Teilnehmerin: „Ich bin anschließend immer gut gelaunt und in meinem Glauben bestärkt.“

Also mehr kann es nicht geben. „Gut gelaunt“ ist in dem Fall nicht einfach ein bisschen lustig sein, sondern die Zuversicht haben, dass unser Leben sinnvoll ist, dass es getragen ist und dass es Gott gibt. Mit ihm zu leben, auch wenn er manchmal in einer Wolke verborgen ist, dass das das Beste ist, was uns passieren kann. Das dürfen wir uns auch heute gegenseitig zusagen. Und jetzt, heute morgen, jetzt in dieser Stunde, ist so eine Zeit des Hinhörens. „Auf ihn sollt ihr hören.“ Wir hören ihn, wir können die Stimme des Herrn, auch die Stimme Gottes, hören, wenn wir, wenn ich, auch mit dem Herzen, auf die anderen neben mir höre.

2. Fastensonntag C, 15./16. März 2025  |  Burladingen Comunità Catt. Italiana; Killer Mater Dolorosa; Hechingen St. Jakobus; Jungingen St. Silvester  |  Lesungen: Gen 15,5-12.17-17; Phil 3,20-4,1 Evangelium: Lk 9,28b-36  |  Achim Buckenmaier