Gebet am Karfreitag

Gekreuzigter Herr Jesus, jetzt ist es ganz still.

Stille auf Golgota, am Kreuz, im Garten und im Grab.

Lass uns dir in diese Stille hinein sagen, dass wir dich sehen, jetzt, dich, den Verleumdeten, den Verlachten, Geschlagenen, den öffentlich Hingerichteten, den für tot Erklärten.

In der Szene vor Pilatus erzählt Johannes von dir: „Jesus aber gab ihm keine Antwort.“ Du schweigst.

Ja, so scheint es uns heute oft auch zu sein. Du schweigst. Gott schweigt.

Wir sind so wenige geworden. Jedes Fußballspiel, jedes Konzert, jedes Familienfest scheint attraktiver zu sein als die kleine Schar derer, die dir treu sein wollen.

Deine Kirche wird lächerlich gemacht in den Comedy-Shows. Jeder kann über die Christen herziehen. Es ist ja wahr: In der Kirche gibt es Verbrechen, Schmutz und Streit. Und zugleich plustert sie sich auf mit ihren Gremien und Sitzungen, mit ihren Einrichtungen und ihrem Geld.

„Jesus aber gab ihm keine Antwort.“ Du schweigst. Gott schweigt.

Ein Wort aber hören wir nach diesem Schweigen: „Frau, siehe, dein Sohn!“ Und: „Siehe, deine Mutter!“

Am Kreuz noch, mit brennenden Schmerzen, mit blutverklebten Augen und reißenden Wunden stiftest du etwas Neues in der Welt: eine Familie, Mutter, Sohn, eine neue Familie, nicht blutsverwandt,

sondern verwandt, weil sie miteinander am Hinrichtungsort, unter dem Kreuz stehen, weil sie, auch als du verkannt bist und vernichtet wirst, dir die Treue halten.

Vor Pilatus hast du geschwiegen. Weil er nur neugierig, nur theoretisch fragte: Woher stammst du?, konnte er nichts hören.

Ja, vom Kreuz herunter hören wir keine abstrakten Antworten, keine Reformvorschläge, Grundsatztexte und Voten. Was du noch zu sagen hattest, war leicht zu überhören. Und tatsächlich hörten es nur zwei. Jene in nächster, gefährlicher Nähe: „Frau, siehe, dein Sohn!“ „Siehe, deine Mutter!“

Das also hören wir von Dir am Kreuz: dass du deine Sache uns anvertraut hast, nicht, damit wir siegen und stolz auf uns sind, sondern damit wir in unserer Armseligkeit einander als Sohn, Mutter, Schwester, Bruder erkennen, die füreinander einstehen. Damit wir so auf Gott bauen lernen.

Danke, Jesus, Gekreuzigter, für dein Schweigen und für deine stille, werbende Antwort.

Karfreitag  |  29. März 2024  |  Stein St. Markus  |  Achim Buckenmaier