
Gebet zum Gekreuzigten
Gebet nach der Passion
Gekreuzigter Herr Jesus, jetzt ist es ganz still.
Stille auf Golgota, am Kreuz, im Garten und im Grab.
Lass uns dir in diese Stille hinein sagen, dass wir dich sehen und anschauen.
In der Szene vor Pilatus erzählt Johannes von dir:
„Jesus aber gab ihm keine Antwort.“ Du schweigst.
Ja, so scheint es uns heute oft auch zu sein. Du schweigst. Gott schweigt.
Wir sind so wenige geworden.
Die Kirchen sind leer.
Sie sind auch innerlich leer geworden.
Sie reden von Nachhaltigkeit und Toleranz,
Augenhöhe und Partizipation,
aber so wenig von dir.
Wer von uns will schon tragen und ertragen,
wer der Not der anderen ins Auge schauen,
wer an der Not der Kirche partizipieren?
„Jesus aber gab ihm keine Antwort.“ Du schweigst. Gott schweigt.
Wir sehen auch die Welt, in der du gestorben bist.
Wir sagen: Sie ist aus den Fugen geraten.
Aber sie war immer aus dem Lot,
seit Adam und Eva.
Immer waren die Frechen und Anmaßenden vorne dran.
Immer haben sich die Selbstsicheren aufgeplustert,
die Zögernden an die Wand gedrückt.
Sie sind auch heimliche Spiegel unseres Tuns.
„Jesus aber gab ihm keine Antwort.“ Du schweigst. Gott schweigt.
Ein Wort aber hören wir nach diesem Schweigen: „Frau, siehe, dein Sohn!“ Und: „Siehe, deine Mutter!“
Am Kreuz noch, mit brennenden Schmerzen, stiftest du etwas Neues in der Welt: eine Familie, Mutter, Sohn, eine neue Familie,
nicht blutsverwandt,
sondern verwandt, weil sie miteinander am Hinrichtungsort, unter dem Kreuz stehen, weil sie, auch als du verkannt bist und vernichtet wirst, dir die Treue halten.
Vor Pilatus hast du geschwiegen.
Weil er nur neugierig, nur theoretisch fragte: Woher stammst du?, konnte er nichts hören.
Ja, vom Kreuz herunter hören wir keine abstrakten Antworten, keine Reformvorschläge, Grundsatztexte und Voten. Was du noch zu sagen hattest, war leicht zu überhören. Und tatsächlich hörten es nur zwei. Jene in nächster, gefährlicher Nähe: „Frau, siehe, dein Sohn!“ „Siehe, deine Mutter!“
Das also hören wir von Dir am Kreuz: dass du deine Sache uns anvertraut hast, nicht, damit wir siegen und stolz auf uns sind, sondern damit wir in unserer Armseligkeit einander als Sohn, Mutter, Schwester, Bruder erkennen, die füreinander einstehen. Damit wir so auf Gott bauen lernen.
Danke, Jesus, Gekreuzigter, für dein Schweigen und für deine stille, werbende Antwort.
Karfreitag, 18. April 2025 | Schlatt St. Dionysius | Achim Buckenmaier