Papst Franziskus (1936-2025)
Wir trauern mit vielen Menschen um den Heiligen Vater Papst Franziskus, Jorge Mario Bergoglio und bitten Gott, dass er ihn, der am Ostermontag gestorben ist, mit Christus auferstehen lässt und in sein Licht führt. Neben vielen Erinnerungen bleibt im Gedächtnis, was Papst Franziskus am 29. Juni 2019 an "das pilgernde Volk Gottes in Deutschland", also auch an uns, geschrieben hat. Der lange Brief ist nicht nur ein bemerkenswertes Zeichen seiner Aufmerksamkeit, sondern kann auch als ein Testament für die Kirche in Deutschland gelesen werden, das nichts an Aktualität verloren hat (A.B.):
(Auszüge) Ich erinnere daran, was ich anlässlich der Begegnung mit euren Oberhirten im Jahre 2015 sagte, dass nämlich eine der ersten und größten Versuchungen im kirchlichen Bereich darin bestehe zu glauben, dass die Lösungen der derzeitigen und zukünfti- gen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen sei, dass diese aber schlussendlich in keiner Weise die vitalen Punkte berühren, die eigentlich der Aufmerksamkeit bedürfen.
Die Grundlage dieser Versuchung ist der Gedanke, die beste Antwort angesichts der vielen Probleme und Mängel bestehe in einem Reorganisieren der Dinge, in Veränderungen und in einem „Zurechtflicken“, um so das kirchliche Leben zu ordnen und zu glätten, indem man es der derzeitigen Logik oder jener einer bestimmten Gruppe anpasst.
Das gegenwärtige Bild der Lage erlaubt uns nicht, den Blick dafür zu verlieren, dass unsere Sendung sich nicht an Prognosen, Berechnungen oder ermutigenden oder entmutigenden Umfragen festmacht, und zwar weder auf kirchlicher, noch auf politi- scher, ökonomischer oder sozialer Ebene und ebenso wenig an erfolgreichen Ergebnissen unserer Pastoralplanungen. Alles das ist von Bedeutung, auch diese Dinge zu werten, hinzuhören, auszuwerten und zu beachten; in sich jedoch erschöpft sich darin nicht unser Gläubig-Sein. Unsere Sendung und unser Daseinsgrund wurzelt darin, dass „Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben“ (Joh 3,16). „Ohne neues Leben und echten, vom Evangelium inspirierten Geist, ohne Treue der Kirche gegenüber ihrer eigenen Berufung wird jegliche neue Struktur in kurzer Zeit verderben.
Ein wahrer Wandlungsprozess beantwortet, stellt aber zugleich auch Anforderungen, die unserem Christ-Sein und der ureigenen Dynamik der Evangelisierung der Kirche entspringen; ein solcher Prozess verlangt eine pastorale Bekehrung.
Deshalb ist es, wie Eure Bischöfe bereits betont haben, notwendig, den Primat der Evangelisierung zurückzugewinnen, um die Zukunft mit Vertrauen und Hoffnung in den Blick zu nehmen.
Die so gelebte Evangelisierung ist keine Taktik kirchlicher Neupositionierung in der Welt von heute oder kein Akt der Eroberung, der Dominanz oder territorialen Erweiterung; sie ist keine „Retusche“, die die Kirche an den Zeitgeist anpasst, sie aber ihre Originalität und ihre prophetische Sendung verlieren lässt. Auch bedeutet Evangelisierung nicht den Versuch, Gewohnheiten und Praktiken zurückzugewinnen, die in anderen kulturellen Zusammenhängen einen Sinn ergaben. Nein, die Evangelisierung ist ein Weg der Jüngerschaft in Antwort auf die Liebe zu dem, der uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,19); ein Weg also, der einen Glauben ermöglicht, der mit Freude gelebt, erfahren, gefeiert und bezeugt wird. Die Evangelisierung führt uns dazu, die Freude am Evangelium wiederzugewinnen, die Freude, Christen zu sein.
Verstimmung, Apathie, Bitterkeit, Kritiksucht sowie Traurigkeit sind keine guten Zeichen oder Ratgeber; vielmehr gibt es Zeiten, in denen „die Traurigkeit mitunter mit Undankbarkeit zu tun hat: Man ist so in sich selbst verschlossen, dass man unfähig wird, die Geschenke Gottes anzuerkennen.
Es geht um das Leben und das Empfinden mit der Kirche und in der Kirche, das uns in nicht wenigen Situationen auch Leiden in der Kirche und an der Kirche verursachen wird. Die Weltkirche lebt in und aus den Teilkirchen, so wie die Teilkirchen in und aus der Weltkirche leben und erblühen; falls sie von der Weltkirche getrennt wären, würden sie sich schwächen, verderben und sterben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Gemeinschaft mit dem ganzen Leib der Kirche immer lebendig und wirksam zu erhalten. Das hilft uns, die Angst zu überwinden, die uns in uns selbst und in unseren Besonderheiten isoliert, damit wir demjenigen in die Augen schauen und zuhören oder damit wir auf Bedürfnisse verzichten können und so denjenigen zu begleiten vermögen, der am Straßenrand liegen geblieben ist.