Ein Gruß vom Gartencenter?

Ostersonntag 2025 - Homilie:

Das Osterfest und die Vorbereitung auf diesen festlichen Tag heute hat für mich in diesem Jahr etwas eigenartig begonnen, mit einer gewissen Irritation. Anfang des Monats habe ich eine Newsletter der Abteilung „Kommunikation Kirchenentwicklung 2030“ bekommen. Eine Newsletter zu Ostern. Sie endete nicht mit dem Wunsch für gesegnete Kar- und Ostertage, sondern mit „frühlingshaften Grüßen“.

Und davor wurde ich angesichts des Wandels der Kirche, wenn am 1. Januar 2026 aus den vielen Pfarreien unseres Dekanates eine einzige Pfarrei werden wird, damit getröstet, dass es auch in der Natur Wandel gibt. Die Newsletter sagte mir: „Für Wandel und Erneuerung steht gleichermaßen der Frühling. Nach dem Winter sprießen Knospen, um sich zu entfalten und zu erblühen. So lehrt uns die Natur, dass jeder Abschied auch eine Chance auf Wachstum und neue Möglichkeiten birgt.“

Wohin bestand das irritierende dieser Newsletter für mich? Ich war überrascht, dass in einer Nachricht der Kirche zu Ostern mit keinem Wort von Tod und Auferstehung Jesu die Rede ist, vom einzigen Wandel und der einzigen Erneuerung, die wirklich interessant sind, die – das ist ja der Glaube der Kirche – die wirkliche Zäsur ist in der Weltgeschichte, der einzige Grund für Wandel und echte Reform.

Für den Glauben der Kirche ist die Auferstehung Jesu aus den Toten ja nicht irgendein beliebiges marginales Ereignis in der Geschichte, sozusagen auf der Ebene eines Weltraumausfluges mit SpaceX, der eben auch vorkommt. Unser Glaube behauptet, dass die Auferweckung Jesu die Antwort schlechthin ist auf eine Welt, die ganz offensichtlich in Flammen steht, aber nicht erst seit Putin und Trump, sondern seit Adam und Eva, auf eine Gesellschaft, in der Hass und Unversöhntheit Mode geworden sind, auf eine Kommunikationstechnik, die uns in Echoräume einsperrt und in Meinungsblasen festhält, statt in Gespräch und Dialog zu führen.

Wie kommt man da heraus? Was kann man tun? Das ist doch die Frage, die wir haben, wenn wir auf unseren Smartphones durch die Welt scrollen: Wo gibt es Erlösung, Hoffnung, eine Lösung, ein Entkommen aus Gewalt, Not, Krieg?

Deswegen kann es nicht genügen, wenn wir als Kirche mit banalen, geistlosen Antworten daherkommen, wo man denkt, das ist die Mail irgendeines Gartencenters zu Ostern, aber nicht aus der Kirche, die uns das Evangelium weitergeben soll. Der Gottesdienst der Kirche antwortet auf diese Frage nach dem Entkommen mit verschiedenen Elementen, vor allem mit der Schönheit, die in uns die Gewissheit aufwecken will, dass die Welt nicht verloren ist, mit der Schönheit des Raumes und vor allem mit der Schönheit der Musik, die das Herz berühren kann, damit wir hören und verstehen können, was Gott in seiner Geschichte sagt.

Die erste Lesung, die wir heute gehört haben, setzt genau in diesem Punkt an. Sie ist aus der Apostelgeschichte genommen, eine Rede des Apostels Petrus. Sie zeigt die Richtung, woher wir etwas erwarten können, was uns hilft. Und das ist eben nicht die Fotosynthese und das alljährliche „Stirb und Werde“ der Natur, sondern es ist die Geschichte, und zwar eine bestimmte Geschichte. Zweimal wiederholt Petrus das: „Wir sind Zeugen für alles, was im Land der Juden geschehen ist.“ „Ihr wisst, was im Land der Juden geschehen ist.“

Es geht also um eine bestimmte, konkrete Geschichte, die zu einer bestimmten Zeit und an einem definierbaren Ort geschehen ist. Die Auferstehung ist nicht ein Mythos vom Werden und Aufblühen der Knospen, sondern ein Ereignis in der Geschichte. Zweimal wird Israel genannt, dreimal kommt das Wort Zeugen vor. „Wir sind Zeugen.“ Nicht: Wir sind Träumer einer besseren Welt oder Visionäre oder Projektleiter, Kirchenentwickler, sondern: Zeugen. 

Wir haben mit ihm, sagt Petrus, nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken. Nicht im Kopf oder im Gefühl und der Sentimentalität ist diese Gewissheit entstanden, sondern im Erleben des gemeinsamen Mahles.

Nirgends in der Heiligen Schrift wird die Auferstehung beschrieben. Niemand war dabei. Niemand hat es gesehen. Niemand kann es beschreiben. Aber eines wird eins um das andere Mal betont: die Wirkungen, die dieses Ereignis hatte, die Erscheinungen Jesu, das Erstaunen, die Verwunderung, ja die Verwirrung der Jünger, das hat nicht irgendwo im Herzen stattgefunden, sondern zwischen Personen.

Wir singen nachher mit dem Chor "Surrexit Dominus vere". Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Die Betonung liegt auf "vere", wahrhaftig, wirklich, real. Wahrhaftig, wirklich, real, d.h. immer auch begrenzt und klein und unscheinbar. Dass die Auferweckung Jesu eine Hoffnung hervorbringen kann, dazu muss die Kirche nicht ein Riesenapparat sein, eine dominante gesellschaftliche Größe oder sonst etwas. Am Anfang waren es die Frauen, denen er nicht einmal richtig geglaubt wurde; das hat gereicht. Maria von Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, und Petrus und Johannes, das hat gereicht, ein ganz kleiner Anfang, den die Weltgeschichte gar nicht mitbekommen hat.

Aber dieser eine Sonntagmorgen, ein „erster Tag der Woche“ hat gereicht, um all das, was das jüdische Volk durch zweitausend Jahre hindurch erfahren und gesammelt hatte, in die ganze Welt zu tragen.

Das Christentum ist keine Kriminalgeschichte. Es ist eine Geschichte, in der durch die Schwächen, durch Machtmissbrauch und Abgleiten ins Heidentum, durch Exzesse und Irrtümer hindurch die Zehn Gebote mit ihrem Schutz der Schwachen und ihrer Solidarität, statt Survival of the fittest, mit Vergebung statt Rache als gesellschaftlichem Prinzip, mit Aufklärung und Vernunft statt dunklen Mythen, mit der Pflege von Kranken und Alten, der Fürsorge für Bedürftige statt erbarmungsloser Aussonderung, mit Freude an der Gestaltung der Welt statt fatalen Hinnehmens universale Geltung erlangt hat, zumindest als Maßstab und Zielpunkt.

Nur eines braucht es dazu: Die davon hören, die müssen zusammenkommen. „Gegessen und getrunken“ haben die Apostel mit Jesus. Essen und Trinken, das heißt auch Eucharistie feiern, zum Gottesdienst zusammen sein und sich immer wieder versammeln. Das ist kein Luxus und nicht auch irgendetwas. In dem, was die Kirche macht und lebt, ist es der Kern, der Punkt, an dem wir aus unserer Traurigkeit, Bitterkeit und Verhärtung herausgeholt werden, an dem wir selber aufgeweckt und verwandelt werden, damit wir unserer unruhigen und friedliche Welt dienen können. Das ist ja der Auftrag, nicht unser religiöses Wohlbefinden, unser Seelenheil, unsere fromme Wellness.

Wir sind als Christen, als Kirche in unserer Gegend in einer epochalen Wende. Nach tausend Jahren einer Mehrheitskirche in eine ganz neue Form, deren wirkliche Gestalt wir noch nicht kennen. „Kirchenentwicklung“ ist schon ein im Grunde wenig passendes Wort. Man kann die Kirche nicht entwickeln, wie einen Produktionsprozess oder ein Start-up. Man kann diese Geschichte nur empfangen und gestaltet sie, wenn man sich ihr anschließt, in sie hineingeht.  Ansonsten kämen wir in Gefahr, uns mit Abschiedsprozessen, Rückblicken und Reflexionen in eine hoffnungslose Sackgasse zu manövrieren. „Wer die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist meiner nicht wert“, hat Jesus scharf und unmissverständlich formuliert. Damit die nächsten Monate nicht ungläubige Trauerprozesse werden, brauchen wir keine Naturlyrik, sondern ein echtes Zusammensein an einem Ort, an dem wir nicht zuerst unsere eigene Stimme hören, sondern eine andere, wenn auch leise: Die Stimme Gottes aus seiner Geschichte. Die nächste Zeit wird von diesem einen, einzigartigen Ostertag heute geprägt sein und von ihm abhängen, oder sie wird nicht sein.

Die Auferstehung Jesu ist nicht ein überirdisches Spektakel. Sie ist eine Hoffnung aus der Geschichte Gottes und sie ist vor allen Dingen ein Auftrag an die, die davon hören, an uns. Ostern 2025 ist Ostern im Heiligen Jahr, das Papst Franziskus der Kirche gegeben und das er unter das Motto „Pilger der Hoffnung“ gestellt hat. Wir können nur recht pilgern, wenn wir gemeinsam pilgern und wenn wir wissen warum und wozu und wohin. Die Welt jedenfalls ist so, dass sie Zeugen einer echten Alternative, eines anderen Lebens braucht, „Pilger der Hoffnung“, mich, dich, uns.

Ostersonntag, 20. April 2025  |  Hechingen St. Jakobus  |  Lesungen: Apg 10,34a.37-42; Kol 3,1-4; Evangelium: Lk 24, 1-12  |  Achim Buckenmaier