Spitzenämter in der Kirche

25. Sonntag im Jahreskreis B - Homilie: 

Das heutige Evangelium ist erneut aus dem Markusevangelium genommen, wie fast an jedem Sonntag dieses Jahres. Das Markusevangelium war in seinem Ursprung eigentlich nur eine Erzählung der Passion Jesu, seiner Verfolgung, seines Leidens, seiner Hinrichtung. Erst später wurden diese Berichte von Markus ergänzt mit Erzählungen über das, was Jesus gesagt und getan hat. Am heutigen Evangelium merkt man noch diesen Ursprung in der Passionsgeschichte. Es geht um die Ankündigung Jesu seines Leidens und seines Todes. Er nimmt die Jünger beiseite, um sie gewissermaßen in das einzuweihen, was er ahnt, dass es kommen wird: Er wird verhaftet und umgebracht werden. 

Und gleichzeitig schaut Jesus auch auf die Zeit danach. Er spricht nicht nur davon, dass Gott ihn aus dem Tod aufwecken wird, er spricht auch davon, dass seine Nachfolger, seine Jünger dasselbe Schicksal erleiden werden. Dass sie zwar vieles gewinnen werden, viele Schwestern, viele Brüder, viele Häuser, in denen sie zu Hause sein werden überall auf der Welt – aber es wird unter Verfolgungen sein, es wird ihnen Diffamierung und Schwierigkeiten einbringen. Die Größe und Schönheit, Jünger Jesu zu sein, Christ zu sein, wird immer mit Verfolgung und Nachteilen verbunden sein. Nachfolge Jesu ist immer auch ein Stück Kreuzweg, sonst ist sie ein Holzweg.

Es ist ganz schön erzählt in diesem Evangelium, dass Jesus seine Jünger beiseite nimmt, um ihnen das zu sagen. Das ist nichts für die Öffentlichkeit, für die Zeitungen oder die sozialen Medien. Jesus zieht seine Jünger ins Vertrauen. 

Das Erstaunliche ist nun, dass die Jünger trotzdem nichts verstehen. Markus erzählt: „Sie verstanden das Wort nicht, fürchteten sich jedoch, ihn zu fragen.“ Was Jesus erzählt, verstehen sie nicht, das dringt nicht in sie ein. Sie fragen aber auch nicht nach. Sie bleiben stumm. Warum verstehen diese Apostel nichts, Petrus, Andreas, Jacobus und die anderen? Sie waren doch jeden Tag mit Jesus unterwegs, hatten sozusagen 24 Stunden am Tag Zeit, mit ihm zu reden und kennen zu lernen, was ihn bewegt.

Das Markusevangelium erzählt sehr nüchtern, warum sie nicht verstehen.

Sie können den Weg Jesu nicht verstehen, weil sie ausschließlich mit sich selbst beschäftigt sind. Ihre Gedanken und vielleicht auch ihre geheimen Reden, wenn Jesus nicht zuhört, drehen sich darum, wer von ihnen der Wichtigste ist. Sie betreiben einen Sport, den es in jeder Gruppe, auch in jeder Gemeinde und Pfarrei, auch in der Kirche gibt und der für das Leben der Kirche lebensgefährlich ist: Sie vergleichen sich untereinander. Wer ist der Bessere? Werden meine Fähigkeiten anerkannt? Wird mein Engagement gewürdigt? Kann ich mich mit meinen Vorstellung durchsetzen?

Sie beschäftigen sich mit sich selber, anstatt zu fragen, wie sie Jesus helfen und ihm wirklich nachfolgen können.

Die beiden Lesungen dieses Sonntages stammen aus völlig verschiedenen Zeiten. Die erste Lesung aus dem Buch der Weisheit ist ein Text, der ungefähr 200 Jahre vor Jesus geschrieben wurde. Der Jakobusbrief stammt aus dem ersten Jahrhundert nach Christus und ist an eine christliche Gemeinde gerichtet. Beide Texte aber illustrieren das, was im Evangelium gesagt wird. Der Streit, das Vergleichen, der Neid, die Kämpfe sind nicht Sachen, die in der Welt stattfinden, irgendwo unter bösen Menschen. Beide Lesungen bestehen darauf, dass das im Gottesvolk stattfindet, unter den Glaubenden. Und wenn man in die Kirche hineinschaut, in ihre Geschichte, aber auch in ihre Gegenwart, d.h. in unsere Zeit in unser Tun, dann wird man sagen müssen, dass das stimmt, dass es die Wahrheit ist, dass es auch oft bei uns so zugeht.

Wie reagiert nun Jesus darauf? Welchen Plan hat er, welche Idee, dass es anders zugehen könnte in seiner Jüngerschaft, unter seinen Nachfolgern, in der Kirche?

Jesus entzieht diesem Kampf um Anerkennung, Pöstchen und Prestige innerhalb seiner Gemeinschaft den Boden, in dem er die Verhältnisse auf den Kopf stellt. Indem er das Denken der Jünger genau umdreht. Der Größte, in der Gottes Herrschaft, der Wichtigste ist genau der, der zum Diener aller wird.  Der Letzte nach den Maßstäben der Gesellschaft ist in der Gemeinde Jesu der Wichtigste.

Viel wird heute in der Kirche über Ämter gesprochen, über Partizipation an der Macht, über den Zugang zu Entscheidungsbefugnissen und so weiter. Das kann alles richtig und wichtig sein. Falsch wird es nur dann, wenn man denkt, das Wichtigste in der Kirche wäre, dass man ein Amt hätte oder eine Anerkennung oder einen Einfluss. Spitzenämter in der Gottes Herrschaft sind etwas ganz anderes. Sie sind meistens völlig unbeachtet und werden auch kaum gewürdigt:

Jemandem vergeben, obwohl man verletzt wurde… Sich um einen Kranken kümmern, obwohl es eine Zeit und Kräfte kostet und man vielleicht keinen Dank erwarten kann… Einem dementen Menschen die Hand halten und mit ihm Singen, obwohl er einen nicht mehr erkennt… Kinder annehmen und die tägliche Mühe auf sich nehmen, sie ins Leben zu begleiten und ihnen vielleicht noch etwas vom eigenen Glauben mitzugeben… 

Das sind die Ämter, die Jesus das Größte nennt in der Gottes Herrschaft, und gegen die alle offiziellen Ämter in der Kirche, Priester, Pfarrer, Professoren, Bischöfe, Gemeinderäte und sofort nur Hilfsfunktion sind; auch nötig, aber doch nicht das Entscheidende in der Nachfolge Jesu.

So stellt uns das Evangelium von heute und auch die beiden Lesungen vor die Alternative: Welchen Weg gehen wir als Christen? Welchen Weg gehen wir als Gemeinde vor Ort? Beschäftigen wir uns mit uns selbst oder dienen wir? Bleiben wir bei den Traditionen und Gebräuchen stehen, bei dem, was wir immer schon so gemacht haben und was wir gerne weiter so tun würden, oder suchen wir die Nöte der anderen, suchen wir die Nähe Jesu, auch im Gottesdienst, im Gebet, damit wir verstehen, was seinen Weg ist, um aus dem Vergleichen und Kämpfen und Traurigsein herauszukommen? Jesus verspricht uns nicht, dass das ein Spaziergang wäre, ein Hobby wie Radfahren oder Basteln. Er verspricht nicht, dass es ohne Leiden geht, aber er verspricht, dass wir etwas Größeren begegnen, einem Größeren: „Wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.“

25. Sonntag i. Jkr. B, 21./22. Sept. 2024  |  Burladingen Comunità Catt. Ital.; Hörschwag St. Mauritus; Stein St. Markus  |  Lesungen: Weish 2,1a.12.17-20; Jak 3,16-4,3Evangelium: Mk 9,30-37  |  Achim Buckenmaier